Gastbeitrag auf t3n zu produktspezifischen Verkaufsprovisionen bei Amazon und deren Bedeutung für Marketplace-Händler
Auch wenn neben Amazon bekanntermaßen weitere Marktplätze wie eBay, hitmeister, fyndiq oder Allyouneed existieren, so zeichnet sich Amazon nicht nur durch eine wachsende Marktdominanz, sondern auch bzgl. der Verkaufsprovisionen durch vergleichsweise hohe prozentuale Gebühren von bis zu 17,85 % (Details) aus, die je nach Kategorie und Land abweichen können.
Änderungen der Amazon-Verkaufsgebühren sind relativ selten. Dies führt dazu, dass im Vergleich zu anderen, relativ jungen Marktplätzen, die sich oft v.a. durch geringere oder keine Marktplatzprovisionen differenzieren, ein großes Verkaufsprovisions-Gefälle existiert. Eine Übersicht der Amazon-Verkaufsprovisionen finden Sie hier. Vergleichsweise selten senkte Amazon bisher die Verkaufsprovisionen je Kategorie, wie dies z.B. für Elektro-Großgeräte zum 1. März 2012 (Senkung von 15% auf 7 % vom Brutto-Verkaufspreis) der Fall war.
Der ungekürzte Artikel erschien zuerst auf t3n.
ASIN-spezifische, temporäre Senkung der Verkaufsprovision
Aktuell erhalten einige Amazon Marketplace-Verkäufer eine Information über eine "Rabattaktion", welche auf den ersten Blick unscheinbar anmutet. In diesem umfangreichen Beitrage wollen wir die neue Amazon-Maßnahme näher betrachten, denn ein genauerer Blick lohnt sich. Hierbei zeigen wir konkrete mögliche Zukunftsentwicklungen auf, dessen sich Amazon-Verkäufer bewusst sein sollten. Zunächst jedoch die anonymisierte Mitteilung an Marketplace Händler im Wortlaut:
Guten Tag,
wir möchten Sie bei der Gestaltung attraktiver Preise für beliebte Artikel unterstützen und bieten Ihnen daher für einen begrenzten Zeitraum die Möglichkeit, einen Rabatt für die Verkaufsgebühr für die unten aufgeführten ASINs zu erhalten.
Die Rabattaktion für Verkaufsgebühren beginnt am 31. März 2016 (MET) und endet am 14. April 2016 (MET).1 Wenn der Gesamtverkaufspreis für einen ausgewählten Artikel (d. h. der vom Käufer bezahlte Gesamtbetrag inklusive Artikelpreis und Gebühren für Lieferung oder Geschenkverpackung) während des Aktionszeitraum nicht über dem angegebenen Schwellenwert liegt, wird Ihre Verkaufsgebühr bei jedem Verkauf dieses Artikels um die angegebenen Prozentpunkte reduziert.
Wenn beispielsweise für einen der ausgewählten Artikel regulär eine Verkaufsgebühr von 15 % gilt und im Rahmen dieser Rabattaktion ein Erlass von 5 Prozentpunkten angeboten wird, zahlen Sie nur noch 10 % Verkaufsgebühr bei jedem Verkauf dieses Artikels, wenn der Gesamtverkaufspreis dem entsprechenden Schwellenpreis oder weniger entspricht.
ASIN |
Artikelname |
Rabatt für Verkaufsgebühr |
Schwellenpreis |
XXXXXX |
Amazon - Artikelname |
3%-Punkte Rabatt |
376,99 EUR |
Wenn Sie diese und andere für Sie verfügbare Rabattaktionen ansehen oder Ihre Preise aktualisieren möchten, öffnen Sie die Seite Kennzahlenmonitor für Preise im Abschnitt Preisgestaltung in Seller Central.
Vielen Dank, dass Sie bei Amazon verkaufen,
Amazon Services Europe
1Rabatte auf die Verkaufsgebühr werden für alle ausgewählten Artikel, die während einer Rabattaktion verkauft werden, zum Zeitpunkt des Bestelleingangs berechnet. Rabatte auf die Verkaufsgebühr werden als Rabatt für die Verkaufsgebühr in den Transaktionsdetails aufgeführt. Amazon ist berechtigt, diese Rabattaktion jederzeit zu ändern oder abzubrechen, indem wir Sie über die jeweiligen Änderungen informieren. Nach Ende dieser Rabattaktion gelten wieder die standardmäßigen Verkaufsgebühren. Rabattaktionen für Verkaufsgebühren gelten nur für ASINs, die der richtigen Kategorie und dem korrekten Browse Node zugeordnet sind und auch sonst den Richtlinien von Amazon entsprechen. Weitere Informationen zu den standardmäßigen Verkaufsgebühren finden Sie in der Gebührenübersicht für Verkaufen bei Amazon.
Je größer die Verkaufsprovisionen bei Amazon, desto wettbewerbsfähiger sind Händler mit eigenen Onlineshops
Vor dem Hintergrund der seit längerem steigenden Bedeutung von Marktplätzen als Absatzkanal im E-Commerce ist diese Feststellung zunächst unter Umständen verwunderlich. Die Wettbewerbsfähigkeit des Vertriebskanals "eigener Onlineshop" gegenüber dem Vertrieb über Amazon für Handelsunternehmen und Hersteller ergibt sich aus den Einsparungen bei Verkaufsprovisionen auf Amazon. Dieses Budget, dass umso größer ist, je größer die Amazon-Provision in den jeweiligen Sortimenten, ermöglicht nach wie vor rentable Investitionen in E-Commerce Software (Shopsysteme) und Marketing (Google Adwords, Facebook Advertising, CPC-Kosten auf Preisvergleichsdiensten, etc.).
Mehr zum Thema auch im Beitrag : Von der Preissuchmaschine zum Marktplatz
Dynamische Verkaufsprovisionen bieten Amazon verschiedene Steuerungsmöglichkeiten
Amazon ist kein freier und vollkommener Markt, sondern ein global agierendes Unternehmen, dessen Entscheidungen teilweise sehr kontroverse Meinungen provozieren. Für die einen ist Amazon ein alles verschlingender Wal, der auch gerne zu seinen Händler in (unfairen - siehe Kontosuspendierungsberichte) Wettbewerb tritt. Für die anderen ist es ein Vorbild kundenfokussierter Weiterentwicklung.
Ob man die Dynamisierung der Verkaufsprovision klar in eine der beiden Schubladen einordnen kann, ist fraglich. Fest steht jedoch, dass sich Amazon hierdurch neue Steuerungsmöglichkeiten schafft. Einige wären wie folgt:
- Generell kurzfristige Reaktionsfähigkeit zur Veränderung der Provision seitens Amazon, anstelle der Veränderung der Kategorie-Verkaufsprovisionen
- Staffelung der Provision je nach Verkaufspreis, d.h. niedrigpreisige Artikel mit höheren Provisionen belegt
- Abweichende Provisionen je Produkt zwischen gewerblichen & privaten Anbietern. Dies ist de facto bereits bei den jetzigen Tests der Fall!
- Unterschiedliche Schwellenpreise je Marketplace Anbieter
- Flexible Anpassung der Verkaufsprovision an Produktlebenszyklen
- Bestimmte Provisions-Rabatte oder -Zuschläge für Trendprodukte oder knappe, d.h. kaum verfügbare Produkte
- Steigende, bzw. nicht rabattierte Provisionen für Saisonartikeln außerhalb der Saison (niedrigere Preiselastizität der Kunden)
- Maßnahmen zur Vergrößerung des Sortimentes: Listung von noch nicht auf Amazon vorhandenen Produkten zunächst ohne Verkaufsprovision
- Verkaufsprovisions-Änderungen zu bestimmten Jahreszeiten: Weihnachten, Ostern, Prime-Day, etc.
- viele weitere denkbar
Schwellenpreis-Bedingung führt automatisch zu Preisreduzierungen
Durch die einschränkende Bedingung des "Schwellenpreises" schafft Amazon einen starken Anreiz der Angebotspreisreduzierung seitens der Marketplace-Händler und vermeidet somit Fehler, wie Sie z.B. von Meinpaket.de zur Schaffung attraktiver Händlerpreise massiv begangen wurden:
Bei Meinpaket führten, großzügig verteilte Kundengutscheine von bis zu 18% auf Händlerseite dazu, dass die Preise durch die Händler um eben diese Gutscheinwerte (z.B. 18%) angehoben wurden. Die monetäre Ersparnis der Kunden durch die Gutschein erhöhte sozusagen eins zu eins die Marge der Händler, da keine einschränkende Bedingung definiert wurde.
Schwellenpreis-Bedingung ist kostengünstiger Automatismus
Man kann meiner Meinung nach folgern, dass die Schwellenpreis-Bedingung für Amazon im Prinzip nur die kostengünstigste und rechtlich einfachste erste Realisierung einer automatisierten Preisreduzierung für Drittangebote von Marketplace-Händlern darstellt, da der Aufwand der Preisanpassung komplett auf Seiten der Händler anfällt. Auch wäre ein direktes Preisdiktat von Händlerpreisen seitens Amazon aktuell noch schwer vorstellbar und auch rechtswidrig.
Steigende Intransparenz für Händler
Die Interpretation der Aussagen und Informationen seitens Amazon deutet aktuell darauf hin, dass die produktspezifischen Rabattaktionen händlerübergreifend für jeden Marketplace-Händlern gültig sind.
Wie bereits an unterschiedlichen Stellen im Beitrag angedeutet, kommen auf Amazon-Händler unter Umständen weitreichende Herausforderungen zu:
- Neben Senkungen von Provisionen sind auch (temporäre) Provisionszuschläge je Produkt/ Kategorie denkbar. Beispielsweise wären in (niedrigpreisigen) Kategorien, in den Amazon das marktseitige Umsatzvolumen dominiert, langfristige Anhebungen der Provisionen denkbar & konsequent in Analogie zu der 45%-Provision auf Zubehör für Amazon eigene Geräte, wie Kindle, Firetablets, Firetv, etc..
- Unterschiedliche Provisionshöhen von Händler zu Händler, welche z.B. an die Verkäufer-Performance gekoppelt wären
- Abweichende Provisionssätze zwischen gewerblichen & privaten Verkäufern, wie dies bis dato nur in der Kategorie Elektronik der Fall ist (Verkaufstarif Einzelanbieter: 10 %, Verkaufstarif Professionell: 7 %)
Einschätzung
- Es ist nicht davon auszugehen, dass die aktuellen Rabattaktionen ein Test bleiben werden. Vielmehr ist mittelfristig eine weitreichende Dynamisierung der Verkaufsprovisionen zu erwarten.
- Kurzfristig sind die Provisions-Änderungen, die zunächst v.a. durch Senkungen der Provision gekennzeichnet sind, für Marketplace-Händler als durchaus positiv zu bewerten.
- Auf einzelne ASINS-beschränkte Provisions-Anpassungen sind insbesondere bei hochpreisigen Artikeln zu erwarten.
- Auch wenn Amazon bereits mit dem ein oder anderen Umsatzstarken Pureplay-Händler individuelle Verkaufsprovisionen vereinbart haben mag, erst durch die jetzigen Maßnahmen erschließt sich Amazon Steuerungsmöglichkeiten des Pricings über das gesamte Sortiment.
Amazon wird mehr und mehr zu Infrastruktur. Allerdings ist diese Infrastruktur in keiner Weise staatlich geregelt oder gar kostenlos (vgl. Vollkommener Markt). Vielmehr kann Amazon seine Händler nun beliebig unterschiedlich "besteuern" und nach belieben durch starke monetäre Anreize, selbst in ihrer ureigenen Domaine, der "Verkaufspreis-Festsetzung" de facto fernsteuern.
Auch wenn dieser Beitrag wohl eher die möglichen Bedenken als die positiven Effekte einer dynamischen Provisionsgestaltung seitens Amazon aufzeigt; die Marktmacht und Entscheidungsgewalt, welche durch ein Amazon ausgeht, über dass zukünftig vielbeschworene 75% des E-Commerce-Umsatzes fließen wird sehr deutlich.
- Zwar gibt es Paradebeispiele für Amazon-Pureplayer wie Kavaj. Sie lassen sich jedoch nicht für alle Händler und Hersteller beliebig wiederholen.
- Im Wettbewerb um globales Wachstum üben Alibaba, aber auch globale Chatdienste wie Wechat Druck auf die (noch starren) Provisions-Strukturen bei Amazon aus.
Bleiben Sie informiert
Wir werden demnächst weitere Entwicklungen von Amazon in verschiedenen Gastartikeln im Detail betrachten. Hierüber informieren wir auch in unserem Newsletter.
Auch wenn der Kern von ecomparo die Schaffung von Marktübersicht über E-Commerce-Lösungen und die unabhängige Evaluierung ist, so müssen bei strategischen Investitionsentscheidungen bzgl. E-Commerce Software unserer Meinung nach auch stets die aktuellen und abzusehenden Marktentwicklungen, die allen voran auch von Amazon ausgehen, berücksichtigt werden.
Der ungekürzte Artikel erschien zuerst auf t3n.
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„Herr Graf, B2B funktioniert da ganz anders.“ Würth vs. Amazon Supply
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Alexander Hofmann
Alexander Hofmann ist Geschäftsführer der HOWADO GmbH, die mit ecomparo Recherche- & Beratungsleistungen zur Auswahl passender E-Commerce-Software bietet. Als E-Commerce Experte unterstützt er Unternehmen dabei, die Zukunftsfähigkeit von Geschäftsmodellen zu validieren, E-Commerce-Strategien zu bewerten und durch die Identifikation der individuell passenden E-Commerce-Software-Bausteine ein langfristig uneingeschränktes Unternehmenswachstum sicherzustellen. Er schreibt und spricht regelmäßig über verschiedene Themen des E-Commerce und ist ein gefragter Interviewpartner in Fachmagazinen.